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Sag du es deinem Kinde!
Friedemann Derschmidt beschäftigt sich mit der Frage, wie die nationalsozialistische Ideologie bewusst oder unbewusst über Generationen
in den Familien weitergetragen wird und wie weit der "Geist des Vergangenen" nachwirkt.
In ironischer Reaktion auf die "rassenhygienischen Vererbungstheorien" seines Urgroßvaters, dem namhaften Eugeniker Univ. Prof. Dr. Heinrich Reichel (Graz, Wien), stellt Derschmidt die Frage nach einer "ideologischen Vererbungslehre". Der Autor versucht unter Einbeziehung aller mitbetroffenen lebenden Verwandten, Möglichkeiten zu finden und Methoden zu schaffen, mit den problematischen politischen Verstrickungen der eigenen Familie vor, im und nach dem Nationalsozialismus umzugehen.
Für das dem Buch zugrunde liegende Projekt "Reichel komplex" ist es von großer Wichtigkeit zu verstehen, dass die Nazis nicht wie eine Horde Wahnsinniger aus dem Nichts kamen und wieder darin verschwanden. Sie waren auch keine von außen auftauchenden „Anderen“, sondern kamen aus der Mitte der Gesellschaft: Die eigenen Väter und Mütter, Großeltern, Tanten und Onkel waren „die Nazis“.
Wenn man einen Schritt zurücktut und mit diesem größeren Blickwinkel auch das 19. Jahrhundert mitbetrachtet, kann man am konkreten Beispiel dieser bürgerlichen Großfamilie gut aufzeigen, wie sich die vielen, oft sehr unseligen Wechselwirkungen zwischen Nationalismus, Jugendbewegung, Alpinismus, Turnbewegung, Burschenschaft, Erneuerungs- und Reinheitsfantasien und allem voran moderner Wissenschaft (Stichwort Eugenik) usw. ergeben haben
müssen. Die spezifische Familie Derschmidts ist diesbezüglich alles andere als besonders einzigartig. Das Projekt „Reichel komplex“ kann vielmehr als Modell für viele österreichische, deutsche und andere europäische Familien dienen, die in den Holocaust verwickelt waren. Seit 2013 arbeitet Derschmidt mit Shimon Lev zusammen, der in seiner künstlerischen Arbeit die Auswirkungen der Shoa auf seine Familie in der Gegenwart thematisiert.
Eine Veranstaltung des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck
in Zusammenarbeit mit erinnern.at und mit Unterstützung des Dr. Karl Renner-Instituts Tirol, der Grünen Bildungswerkstatt Tirol und dem Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen Tirol.
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