Gegen Terrorismus und für die Grundrechte - Grüne Konzepte im Kampf gegen ein Klima der Angst
Es ist ein Mix aus Perspektivenlosigkeit und Verhetzung, welcher der Dschihadistenszene in Europa einen Nährboden bereitet hat. Durch gezielte Sozialarbeit wurden Jugendliche geschickt von Islamisten dort abgeholt, wo sie sich mit ihren Problemen befanden. In der Regel werden nicht religiöse, sondern entwurzelte und labile Persönlichkeiten auf der Suche nach emotionalem Halt angesprochen. Meist gibt es massive familiäre Konflikte im Hintergrund und die islamistischen Gruppen werden als Ersatzfamilie angeboten. Die Betroffenen haben oftmals Diskriminierungserfahrung und zahlreiche nicht verarbeitete Misserfolge und Frusterlebnisse vorzuweisen. Autoritäre Erziehungsstrukturen und die Unsicherheit über das eigene Männlichkeitsbild spielen den Rekrutierern zusätzlich in die Hände. Durch die geschickte Nutzung der sozialen Netze im Internet wird eine zusätzliche Verbreitung islamistischer Ideen erreicht.
Kampf gegen den Terror durch Prävention und Integration
Nach den Anschlägen von Paris wurde in Österreich ein Anti-Terrorpaket im Umfang 300 Millionen Euro geschnürt. Nicht einmal 10 % davon sollen für Prävention ausgegeben werden. Damit wird man den Kampf gegen den Dschihadismus nicht gewinnen.
Dazu kommt, dass rechtsextreme Parteien die Auseinandersetzung mit dem Islam bzw. Islamismus politisch instrumentalisieren. Tatsache ist aber, dass der Islamismus in vielen Punkten der extremen Rechten ähnlich ist und nur eine andere Form von rechtem und reaktionärem Extremismus darstellt. Trotzdem stehen sich Islamismus und Rechtsextremismus scheinbar als politische Gegner gegenüber.
Der Zivilgesellschaft fällt da eine Positionierung umso schwerer. Warum eigentlich? Wer hat für Integration statt Perspektivenlosigkeit plädiert? Während FPÖ & Co bisher jede Integrationsmaßnahme abgelehnt haben und SPÖ und ÖVP mit Pseudovorschlägen wie Asyl auf Zeit jede berufliche und schulische Integration erschweren, ist es die Zivilgesellschaft, die anpackt und hilft. Die Herausforderung in den Schulen, am Arbeits- oder Wohnungsmarkt anzunehmen ist die erste Präventionsmaßnahme gegen eine Radikalisierung von morgen.
Islamismus ist Gegner progressiver Politik
Bildung und Arbeitsplätze alleine sind aber keine Garantie gegen das Erstarken des Islamismus. Niemand würde im Kampf gegen die heimische Rechtsextremismus- und Naziszene ausschließlich auf Arbeitsmarkt und Bildung setzen. Beim Dschihadismus und seinen Vorfeldideologien ist das nicht anders. Der Islamismus ist nicht der Aufschrei der Entrechteten. Das wäre eine Beleidigung von hunderttausenden sozial Benachteiligten, die sich nicht dem Terror zuwenden, um auf ihre hoffnungslose Situation aufmerksam zu machen. Der Islamismus ist eine reaktionäre politische Ideologie, der religiöse Ansichten überhöht und sich daher in seiner Extremvariante sogar zu Verbrechen legitimiert sieht.
Gerade deshalb muss mit gleicher Vehemenz Islamisten wie Rechtsextremen entgegengetreten werden. Zivilgesellschaft und linke Bewegungen müssen sich als politische Gegner des totalitären Islamismus begreifen. Wer diese Lücke nicht besetzt, darf sich nicht wundern, wenn es außer rechter Hetze nur Schweigen und keinen Widerspruch gibt. Als Folge würden die Rechte und islamistische Strömungen erstarken. Das kann nicht gewollt sein. Daher ist es notwendig, gemeinsam mit säkularen oder liberalen MigrantInnen ohne antimuslimischem Kulturkampf eine fortschrittliche Gegenöffentlichkeit zu reaktionären politischen Strömungen im Umfeld des Islam zu schaffen. Tabuisierung wird die Herausforderungen nicht bewältigen.
Klima der Angst gegen die Grundrechte
Statt auf Prävention und gesellschaftliche Integration zu setzen, nähren aber auch die politischen Parteien der Mitte ein Klima der Angst im Umgang mit Terrorismus und Islamismus. Das ist auch kein Zufall. Eine Politik, die wirtschafts- und sozialpolitisch nicht gestaltet, braucht ein Ersatzfeld, in dem den BürgerInnen Handlungsfähigkeit vorgetäuscht werden kann. Da hat man eine neues Aufmarschgebiet entdeckt: den Rechtsstaat und die Sicherheitspolitik.
Immer neue Gesetze sollen mehr Sicherheit vorgaukeln. Vieles, was an Überwachungsmaßnahmen unter dem Aspekt der erhöhten Sicherheit diskutiert wird, stellt sich bei näherer Betrachtung als populistisches Placebo für die Bevölkerung mit gefährlichen Nebenwirkungen dar.
Es gilt nunmehr der Grundsatz, dass der, der nichts zu verbergen hat, sich auch nicht vor Überwachung fürchten muss. Das war früher anders. Grundrechte sollten gerade jene vor Eingriffen des Staates schützen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen.
Damit hat der Terrorismus schon gewonnen. Sein größter Erfolg ist die Einschränkung der erkämpften Grund- und Freiheitsrechte. Die Zauberformel der Überwachungsfreunde, dass mehr Überwachung mehr Sicherheit bringt, hält keiner Überprüfung stand. Professionelle und organisierte Kriminelle treffen die notwendigen Vorkehrungen. Was bleibt ist die Missbrauchsgefahr. Den Überwachungspolitikern fehlt jede Sensibilität für Grenzen. Es gilt daher, dass wir zwar Schutz vor Terror brauchen, aber uns mindestens genauso vor den Bekämpfern des Terrorismus schützen müssen.
Albert Steinhauser ist Grüner Justizsprecher im österreichischen Parlament.